Seit 3 Jahren bin ich zurück in der Selbständigkeit. Und dann gleich, aber richtig. Eigentlich eine spannende Geschichte, aber die Freiheit an einer Stelle (Arbeitszeiten, Projektauswahl, …) hat natürlich einen Preis an einer anderen Stelle, den ich insgesamt gerne eingehe: Ich muss Projekte, Zeiterfassung, Rechnungsstellung, Mahnwesen, Buchhaltung im Griff haben.
Hintergrund und Not meiner eigenen Fakturierung und Buchhaltung
Ich sag’s freiweg: Mich hat zunehmender Erfolg meiner Selbständigkeit vor neue Probleme gestellt. Obwohl ich schon länger mit einem eigenen Gewerbe und für Agenturen unterwegs bin, war ich nicht eingeübt. Hinzu kamen gesundheitliche Probleme und ein nicht eingespieltes Duo zwischen mir und meiner (damaligen) steuerlichen Beratung, die selbst ihre Aufgaben verschleppt haben.
Wundert es mich, dass meine Buchhaltung außer Kontrolle war? Keinesfalls.
Anfang 2022 war ich bei einem Urlaub in Fuerteventura. Während andere am Strand die käseweißen Beine wegbrutzeln ließen, hat sich mein Knoten gelöst und ich habe in einer Urlaubswoche 2 Jahre Kleingewerberegelungs-Buchhaltung in den Griff bekommen. Dank sevDesk [Schreibweise 2022].
Warum sevdesk? Erster Eindruck: Positiver geht’s nicht.
Ich war auf der Suche nach einer digitalen Lösung für möglichst viele Aspekte meiner Buchhaltung. Ich war zuvor bei weclapp, das ich inzwischen etwas vermisse. sevDesk fühlte sich im Vergleich zu weclapp leicht und übersichtlich an.
Also habe ich 2 Jahre Belege (Eingangs- und Ausgangs-Rechnungen) ins System geladen, mit meinen Geschäftskonten verknüpft und die Transaktionen verbucht. Es war Urlaub, ich saß am Notebook mit Ausblick auf Palmen und Meer und hatte dennoch eine wirklich gute Zeit dabei. Denn der Knoten im Kopf hat sich gelöst, die Überforderung war weg. Ich hatte ein Ziel: 2 Jahre Buchhaltung 2020–2021 in Ordnung bringen und alles nutzen, was sevDesk bietet.
Auch der erste Eindruck war von sevDesk genial: Für mich hat sich sofort erschlossen, was ich zu tun habe.
- Es gibt sehr viel Dokumentation und Videomaterial.
- Das Marketing wirbt mit tollen und zukunftsorientierten Funktionen und GoBD-Konformität.
- Die Entwicklung erfolge „API First“.
- Es gibt ein Anwender-Forum.
- Integrierte Zeiterfassung
- DATEV-Export.
- Sehr gute Usability.
- Verschiedene Erweiterungen von anderen Anbietern.
Genau so etwas wünsche ich mir.
50 Stunden später war ich fertig und habe das Gefühl: Jetzt bin ich für die Zukunft gewappnet. Denn auch wenn es erstmal darum ging, Vergangenes aufzuholen – ich habe gleichzeitig Prozesse definiert, wie ich in Zukunft meine Buchhaltung im Griff behalte, Rechnungsstellung teil-automatisiere usw.
Natürlich habe ich einen 2‑Jahres-Vertrag abgeschlossen.
Natürlich bin ich davon ausgegangen, dass versprochene Dinge umgesetzt werden, Bugs zeitnah behoben werden und das Ökosystem sevDesk sich weiterentwickelt.
Die Ernüchterung bei sevDesk: Fehlende Funktionen, Bugs, schlechte Kommunikation
Mein erster Blick ins Support-Forum? Die üblichen Nörgler und Grießgräme. Die erste Red Flag, die ich übersehen habe, weil ich noch voller Begeisterung für das Produkt sevDesk war.
Was alles bei sevdesk [Schreibweise heute] nicht funktioniert, sprengt den Rahmen dieses Blog-Beitrags, außerdem möchte ich die Probleme belegbar und beweisbar aufarbeiten, weshalb ich beschlossen habe, daraus eine gesamte Serie zu machen.
Soviel vorweg: Die Enttäuschung könnte ich nicht größer sein. Ein paar Beispiele, die ich aus dem Forum von anderen bestätigt bekommen habe:
- Für Ende 2021 versprochene Funktionen wie die Summen- und Saldenliste sind bis heute nicht korrekt implementiert.
- GoBD-Konformität mag vielleicht zum Zeitpunkt der Prüfung vorgelegen haben, im Vergleich zu Mitbewerbern wie Lexoffice behält sich sevdesk „Tabula Rasa“ vor. Nichts mit X Jahren Aufbewahrung.
- Bugs Bugs Bugs. Bei der Erstellung von Rechnungen, Angeboten. Auch ich habe es schon geschafft, Rechnungsnummern zu überspringen, Rabatte doppelt vorzufinden, doppelt importierte Transaktionen vorzufinden. Das fatale: Sie werden über Jahre nicht behoben.
Und, ganz großes No-Go: Falsche Werbeversprechen. Das hat sevdesk inzwischen korrigiert, sie sprechen nicht mehr von Software „für Buchhaltung“, sondern für „vorbereitende Buchhaltung“ nur unter Nutzung eines Steuerberaters. Echt jetzt?
Doch zu spät: Meine Abhängigkeit von sevdesk ist da. Nochmal so viele Stunden aus den Rippen schneiden, um die Software zu wechseln, ist „im laufenden Betrieb“ nicht drin.
Ich gehe davon aus, dass das seitens sevdesk kalkuliert ist: Erst in Watte packen, auf Fragen reagieren solange kein 2‑Jahres-Abo abgeschlossen ist und dann ciao, wenn die Fassade abfällt.
Die Versprechen, die gebrochen wurden und der Qualitätsverlust beim Kundenservice nach Abschluss des Abos hinterlassen das Gefühl, dass ich mich habe manipulieren lassen. Das (selten konkrete) PR-Sprech von sevdesk-Kundenservice per Mail oder im Forum – falls überhaupt eine Antwort kommt – provoziert umso deutliche Reaktionen.
Ich freue mich jedenfalls darauf, mir mit diesen Erfahrungen „Luft zu verschaffen“ und andere davor zu warnen, einer m.E. Firma mit kaputter Firmen‑, Entwicklungs- und Führungskultur nicht nur Geld anzuvertrauen, sondern seine eigenen Prozesse und steuerrechtlich wichtige Angelegenheiten. Das natürlich begründet am Einzelfall und übertragen auf einen Gesamteindruck, den aktive Nutzer in sevdesk teilen.
Risiken und Ausblick
Natürlich muss ich davon ausgehen, dass nicht sevdesk mich als Kunde verliert, sondern ich sevdesk als Plattform meiner eigenen Prozesse. Wünschen würde ich mir jedoch, dass öffentlicher Druck es den Support- und Entwicklungs-Mitarbeiter*innen ermöglicht, Druck nach oben auszuüben.
Denn: Ich bin mir sicher, mehr Personal und Professionalisierung von Abläufen, Unit Tests, usw. am Ende sevdesk zu einem Dienstleister machen kann, das seine eigenen Versprechen und Ziele einhalten kann.